Strategisches Change-Management ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen digitalen Transformation. Denn neben dem technologischen Set-up sind das richtige Mindset und das Engagement der Mitarbeitenden entscheidende Erfolgsfaktoren.
Mehr dazu, in welchen Schritten strategischer Wandel stattfinden kann, finden Sie in diesem Artikel.
Change-Management, das im Zusammenhang mit Technologie- und Software-Wandel stattfindet, wird oft als agil bezeichnet. Aber was genau bedeutet das eigentlich?
Agiles Change-Management vs. klassisches Change-Management
Es gibt viele unterschiedliche Methoden, Change-Management anzugehen – von ADKAR über Lewin bis zum Acht-Stufen-Modell von Kotter, das in Teilen auch bei der agilen Umsetzungsweise von strategischer Veränderung zum Einsatz kommen kann. Spoiler: Auf das Kotter-Modell kommen wir später noch einmal zu sprechen. Diese Methoden haben sich über viele Jahre bewährt und können gänzlich oder in einzelnen Elementen, ein hilfreicher Kompass für Organisationen sein, ihre Change-Ziele zu erreichen.
Warum sollte man sich dann von bewährten Praktiken entfernen und sich für agilen Change entscheiden? Gerade dann, wenn es bei der geplanten Veränderung auch um technologischen Change geht, empfehlen wir ein agiles Angehen von Change-Management. Im Vergleich zu den klassischen Change-Management Methoden, die gerne auf große, langfristige Pläne setzen, geht es beim agilen Ansatz eher darum, flexibel und schrittweise vorzugehen. Agiles Change-Management setzt eher auf kleine Verbesserungen auf dem Weg zum übergeordneten Ziel – im Best Case werden diese von den involvierten Stakeholder:innen selbst angestoßen und umgesetzt. Die Basis dafür sind iterative Schritte und die aktive Einbindung der Mitarbeitenden.
Man kann also sagen, agiles Change-Management funktioniert nach dem Scrum-Framework, das sich an agilen Prinzipien orientiert und vor allem in der Softwareentwicklung genutzt wird und auch im strategischen Wandel eine dynamischere Alternative zu traditionellen, starren Transformationsprozessen bietet.
Scrum ist ein agiles Framework für die iterative und zielorientierte Entwicklung von Produkten, ursprünglich konzipiert für die Softwareentwicklung. Das Scrum-Prinzip basiert auf Transparenz, Feedback und Anpassung, um kontinuierliche Verbesserung und Effektivität zu fördern.
Hauptmerkmale von Scrum
Sprints: Arbeitszyklen von zwei bis vier Wochen, in denen funktionsfähige Teilprodukte (in diesem Zusammenhang Inkremente genannt) erstellt werden.
Rollen: Klare Zuweisung von Rollen.
Artefakte: Verwendung von Systemen wie dem Product Backlog, Sprint Backlog und dem erstellten Inkrement.
Regelmäßige Meetings: In Scrum werden die Meetings ganz bewusst “Events” genannt, ich. da es kollaborative Sessions sind – dazu gehören Daily Scrum, Sprint Planning, Sprint Review und die Retrospective.
Selbstorganisation und Flexibilität: Scrum fördert die Selbstorganisation im Team und ermöglicht die Anpassung an sich ändernde Anforderungen schon während des Entwicklungsprozesses.
Agiles Change-Management – das Cherrypicking gängiger Projektmethoden
Agiles Change-Management involviert sämtliche von der Veränderung betroffenen Personen und Stakeholder:innen aktiv in den Prozess. Um Transparenz, Engagement und das Bewusstsein über die gemeinsamen Ziele sicherzustellen, ist genügend Raum für Kommunikation essenziell. Kommunikationsräume können in diesem Kontext sowohl virtuelle als auch physische Treffpunkte sein, wo Ideen ausgetauscht, Probleme besprochen und Lösungen gemeinsam erarbeitet werden. Das Ergebnis: schnellere und qualitativ hochwertigere Teilergebnisse und ein starker Teamzusammenhalt.
Agiles Change-Management bedient sich neben „soften” Faktoren wie dem Schaffen von Kommunikationsräumen auch bewährter Prinzipien, wie z.B dem klassischen Change-Management, wie beispielsweise dem Acht-Stufen-Modell der Veränderung nach Kotter:
Das Acht-Stufen-Modell der Veränderung nach Kotter
Dr. John P. Kotter: Harvard-Professor und Change-Experte
Ziel: Eine strukturierte Anleitung für die erfolgreiche Umsetzung von organisatorischen Veränderungen.
Die acht Stufen im Überblick:
1. Dringlichkeit schaffen:
Sensibilisierung für die Notwendigkeit der Veränderung
Klare Kommunikation der Risiken des Status quo
2. Führungskoalition aufbauen:
Bildung eines starken Teams von Treibern der Veränderung
Integration von Führungskräften aus verschiedenen Bereichen
3. Vision und Strategie entwickeln:
Klar formulierte Vision für die Zukunft
Entwicklung einer umfassenden Strategie zur Umsetzung der Veränderung
4. Die Vision kommunizieren:
Breite Kommunikation der Vision an alle Beteiligten
Überzeugende Darstellung des Ziels und der Vorteile der Veränderung
5. Hindernisse identifizieren:
Identifikation und Überwindung von Barrieren und Widerständen
Schaffung eines unterstützenden Umfelds für die Veränderung
6. Kurzfristige Erfolge:
Planung und Umsetzung von schnellen, sichtbaren Erfolgen
Stärkung des Vertrauens und der Motivation der Beteiligten
7. Learings für Verbesserungen nutzen:
Zwischenerfolge als Motivationsfaktor für weitere Veränderungen
Konsolidierung von Erfolgen und Hemmern für Anpassung der Strategie
8. Veränderungen verankern:
Festigung der neuen Praktiken und Kultur
Integration der Veränderungen in die Unternehmens-DNA
Wir sehen hier: Auch das klassische Modell von Kotter sieht Feedbackzyklen zur Verbesserung des Ergebnisses vor – allerdings erst zum Ende des Change-Prozesses. Agiles Change-Management kombiniert die klassische und strategische Planung mit Methoden, die wir aus der Lean-Startup-Welt kennen. Der große Vorteil: Veränderungen können bereits in einem sehr frühen Projektstadium kollaborativ und feedbackbasiert gesteuert werden.
Was bedeutet Lean Start-up?
Die Lean-Start-up-Methode ist ursprünglich ein Ansatz zur Entwicklung von Produkten und zielt darauf ab, Unsicherheiten oder Probleme bereits in frühen Phasen zu erkennen und zu minimieren. Diese Methode funktioniert nach dem Prinzip: "Build-Measure-Learn". Mit anderen Worten: Statt eine lange Zeit und viele Ressourcen in die Entwicklung eines vollständigen Produkts zu investieren, entsteht zunächst ein Minimal Viable Product (MVP). Diese reduzierte, aber bereits funktionsfähige Version eines Produktes kann schnell auf den Markt gebracht werden, um bereits früh Feedback von der Zielgruppe zu sammeln.
Durch die kontinuierliche Messung und Analyse der Kundenreaktionen lernt das Unternehmen, welche Aspekte des Produkts bereits erfolgreich sind und welche noch angepasst oder verändert werden müssen. Auf diese Weise wird das Produkt iterativ verbessert – dadurch lassen sich Ressourcen sehr viel effizienter einsetzen.
Die Basis für agilen Change: Raum für Fehler
Dieses Prinzip funktioniert nicht nur in der Start-up-Welt bei der Markteinführung neuer Produkte, sondern ebenfalls für den Prozess der strategischen Transformation: Das frühzeitige Lernen aus Fehlern ermöglicht eine schnelle Anpassung von Initiativen.
Agiles Change-Management lebt von kurzen Feedbackschleifen. Damit das Change-Team auf konkrete Probleme eingehen und Initiativen für Neuerungen testen kann, ist regelmäßiges Feedback von Mitarbeitenden und Stakeholder:innen wichtig. Ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen agilen Wandel ist das Verantwortungsgefühl, die Selbstorganisation und Kommittent auf die gemeinsamen Ziele. Die Basis dafür ist Vertrauen und eine offene Feedback-Kultur, der sich alle Projektbeteiligten bewusst sind. Nur dann, wenn alle in dieselbe Richtung steuern, kann echte Kollaboration stattfinden. Achtung: Mit Feedback umzugehen, ist nicht immer einfach – weder für den Sender noch für den Empfänger. Es muss für alle Seiten klar sein, dass Feedback erwünscht ist und als Basis für das weitere Vorgehen dient.
Hier erfahren Sie, wie Sie die Zufriedenheit und Loyalität Ihrer Mitarbeitenden langfristig steigern.
Die drei wichtigsten Schritte im agilen Change-Management
Wie genau die einzelnen Schritte eines agilen Change-Prozesses erfolgreich durchgeführt werden, ist natürlich individuell und unterscheidet sich von Organisation zu Organisation. Der folgende idealtypische Ablauf dient zur Orientierung und einer möglichen Reihenfolge der Change-Initiativen:
Schritt 1: Das Lift-off-Meeting
Hier werden der IST-Zustand die Veränderungsidee definiert. Diese Erkenntnisse dienen als Basis für Change-Initiativen, die gemeinsam entwickelt und ausgewählt werden. Wichtig dabei: Die Initiativen sollten als Experimente betrachtet werden, die möglicherweise auch schiefgehen können. Fails werden in der agilen Methodik nicht als Misserfolg, sondern als Learning verbucht.
Schritt 2: Das Festlegen von Veränderungsparametern
Die ausgewählten Maßnahmen werden in Aufgabenpakete und Sprints zerlegt und Kriterien für die Erfolgsmessung werden festgelegt. Dabei ist der regelmäßige Austausch, wie zum Beispiel in Daily-Stand-up-Meetings, essenziell, um alle Stakeholder informiert zu halten und ggf. den Kurs zu ändern, falls Zwischenziele nicht erreicht werden.
Schritt 3: Eine Retrospektive
Egal, wie das Fazit des Projektes lautet und ob die Ziele erreicht wurden, oder nicht: Für eine nachhaltige Entwicklung in die gewünschte Richtung ist es essenziell, das Vorgehen zu reflektieren, Erfolge gemeinsam zu feiern oder neue Erkenntnisse und Verbesserungsmöglichkeiten festzuhalten.
Die Benefits von agilem Change-Management auf einen Blick
Erfolge sind schneller sichtbar. Diese Quick Wins fördern die Motivation der Projektbeteiligten und schaffen ein stärkeres Engagement.
Basierend auf den organisatorischen Bedürfnissen, die nicht selten unvorhersehbar auftauchen, können Prozesse adaptiert und angepasst werden.
Der Return on Invest wird schneller sichtbar
„Seeing is believing“ – gemeinsame Teilerfolge bauen Vertrauen bei auf
Das kontinuierliche Lernen bereits während des Prozesses fördert die Innovationsbereitschaft
Transformation ist kein Projekt, sondern ein Prozess
In vielen Unternehmen wird Change-Management heute noch folgendem Prinzip angegangen: Veränderungen werden im Detail geplant und nach einem vordefinierten Plan implementiert. Der Fokus liegt darauf, den Transformationsprozess so schnell wie möglich abzuschließen und in einen stabilen und festen neuen Zustand zu überführen. Dabei wird häufig der Fehler gemacht, Transformation als Projekt anzugehen, anstelle sie als fortlaufenden Prozess zu behandeln. Das birgt die Gefahr, dass die Chancen auf Weiterentwicklung, Wachstum und Anpassungsfähigkeit bei Marktveränderungen langfristig ungenutzt bleiben, da das Set-up nicht flexibel genug für neue Anforderungen ist – technologisch und im Mindset der Mitarbeitenden.
Der agile Ansatz, Change-Management anzugehen, ist besonders bei komplexen Unternehmensstrukturen und größeren Veränderungsplänen in Zusammenhang mit Digitalisierungsvorhaben hilfreich. Im Gegensatz zu klassischen Change-Management-Methoden zielt das agile Vorgehen nicht darauf ab, Veränderungsprozesse so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Stattdessen wird ein Zustand kontinuierlichen Überprüfens, Ausprobierens und Anpassens bewusst angestrebt. Die Basis einer agilen Transformation ist also das Bestreben, sich fortlaufend zu verbessern und Verbesserungen schrittweise und in kleinen Etappen umzusetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu stärken und jederzeit in der Lage zu sein, schnell auf neue Anforderungen zu reagieren.