Eine Mitarbeiter Gruppe unterhält sich in einem Meeting Raum.
Omnichannel  | 24 Mai 2023

So hängen Omnichannel Excellence und Employee Experience zusammen

Gastbeitrag von Dr. Jasmina Hasanbegovic

Porträt von Dr. Jasmina Hasanbegovic
Dr Jasmina Hasanbegovic

Das Interesse an der Gestaltung neuer Kundenerlebnisse geht heute über die Grenzziehung von Spannungsfeldern hinaus und bezieht die Harmonisierung aller Kommunikations- und Distributionskanäle im Rahmen einer Omnichannel-Excellence-Strategie ein. Die Veranschaulichung der Gestaltung und Realisierung dieser Kundenbegegnungen erfolgt jedoch noch nicht in Form von Szenarien, welche als in sich abgeschlossene Arbeits- und Lernsequenzen in Form von Aufbau- und Ablauforganisationen von konkreten Kundenerlebnissen dargestellt sind und somit als Experimentier- und Lernumgebung für Mitarbeiter herangezogen werden können. Dieser Beitrag geht deshalb der Frage nach, welche HR-Maßnahmen es braucht, um Omnichannel Excellence in einer Organisation nachhaltig zu implementieren und das „einzigartige“ Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg zu orchestrieren.

Was ist Omnichannel Excellence?

Omnichannel Excellence versteht die harmonische Abstimmung aller Kontakte und Interaktionen des Kunden mit dem Unternehmen unabhängig von den Kommunikations- und Distributionskanälen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Zielsetzung ist somit ein kundenzentriertes, nahtlos ineinandergreifendes sowie vollständig integriertes Kundenerlebnis. Stationärer Einzelhandel, E-Commerce und Webseite, Hotline bzw. Kundenservice, Social Media, Smartphone-App, und Chatbot interagieren so und ergeben harmonische, aufeinander abgestimmte Begegnungspunkte, die sich durch den „Single View of the Customer“ an den individuellen Bedürfnissen der Kundinnen ausrichten, durch Einheitlichkeit gekennzeichnet sind, und klare und einfache Lösungen anbieten (Google Omnichannel Excellence Studie, 2022; Chevalier & Gustaz, 2020, S. 81).

Der Komplexität einer integrativen Omnichannel-Strategie wird jedoch kaum durch Kategorisierungsversuche der Customer Journey in Form von konkreten Szenarien begegnet. Einer der Gründe mag sicherlich in dem Konkurrenzgebaren des stationären Einzelhandels gegenüber der Onlinepräsenz liegen. Dadurch kann die Gestaltung einer idealtypischen Customer Journey nicht veranschaulicht und die Entscheidungsfindung der beteiligten Mitarbeiter für die Gestaltungsmerkmale hybrider Kundenumgebungen nicht ermöglicht werden. Denn es geht nicht nur darum, dass der Kunde zwischen den Kanälen nahtlos wechseln kann. Vielmehr muss das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern einzigartige, emotionale Begegnungsräume für den Kunden schaffen. Gerade die Versorgung der Mitarbeiter mit allen Kundeninformationen ist ein Erfolgsfaktor für die Omnichannel-Strategie. Stellt ein Unternehmen seine Mitarbeiter nicht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen dieses Strategievorhabens und vernachlässigt gleichzeitig die Fähigkeiten und Rollen der Mitarbeiter, fehlt der integrative Kompetenzentwicklungsansatz für eine kanalübergreifende Kundenzentrierung. Es bedarf einer kulturellen Transformation, die auf experimentierfreudigem Lernen und Partizipation aller beteiligten Stakeholder beruht:

“An agile, flexible, and fast-changing supply chain requires a new organizational mind-set. It will require big companies to think and act more like start-ups, which have new ideas; it will require companies to try new ideas in a small context, to see if they work. Companies must encourage people to try new things, allow for mistakes, and be prepared for some experiments and pilots to fail. There will always be trade-offs among speed, stability, and resources, but finding the right balance will have a huge impact on the success of companies in an omnichannel environment.”
- McKinsey, 2016, S. 11

Wie können Mitarbeiter die Omnichannel Excellence mitgestalten?

Der Begriff Omnichannel Excellence beinhaltet über die Harmonisierung der Kommunikations- und Distributionskanäle bereits die Verbindung und damit Überwindung von Dichotomien der Beziehungsgestaltung, vor allem digitaler vs. analoger Begegnungen und synchroner und asynchroner Kommunikationsformen über Zeit und Raum hinweg.

“The customer experience should be built and reinforced at each point of contact: in-store, online when the customer is searching for something, online when the customer comes in contact with the brand on its website, during all communication campaigns and customer events, at every opportunity for interaction, and during all contacts for service.”
- Chevalier & Gutsatz, 2020, S. 199

Bei genauerem Hinsehen werden diese Berührungspunkte heute jedoch noch viel zu oft getrennt voneinander bespielt: Wie wird ein Kunde beispielsweise offline im Ladengeschäft und wie online im E-Commerce oder über andere digitale Kanäle bedient? Omnichannel Excellence überwindet genau diese Grenzen, indem unendlich viele Begegnungsräume für Kunden entstehen und kreiert werden: so nimmt der Kunde zum Beispiel über eine Zoom-Liveschaltung von zu Hause aus an einer analog im Store stattfindenden Verkaufsveranstaltung teil oder informiert sich vor Ort im Geschäft über ein Edutainment-Tool über die neueste Kollektion und lernt somit, neben den neuesten Trends, auch die Nachhaltigkeitsprinzipien des Unternehmens kennen.

Die Komplexität dieser Möglichkeiten stellt zentrale Kompetenzanforderungen an Mitarbeiter einer Omnichannel-Excellence-Organisation, die diese Kundenbegegnungen gestalten, begleiten und koordinieren. In der Praxis können diese in einer Stellenbeschreibung wie folgt aussehen:

  • Erkennen des Kundenpotenzials und Nutzung aller über die Kunden verfügbaren Daten und Informationen, deren Analyse und Bewertung sowie deren Zusammenführung im Rahmen eines individuellen und personalisierten Kundenkontakts im Anschluss an die Transaktion bzw. verschiedene qualifizierte Servicekontakte

  • Übernahme der Rolle des persönlichen Kundenberaters, der für die Beratung im Allgemeinen (Marke, Styling usw.) und für alle Produktkategorien und Dienstleistungen zuständig ist - unabhängig davon, ob diese digital, virtuell oder persönlich vor Ort erfolgt

  • Initiierung und Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen durch den Einsatz verschiedener Kundenbindungsinstrumente über alle Kanäle hinweg, um eine Marken- bzw. Unternehmensloyalität aufzubauen und die Customer Journey zu personalisieren und zu optimieren

  • Verantwortlichkeit sowohl für die kanalübergreifenden individuellen Ziele wie auch Teamziele und Umsätze. Funktion als Teamplayer und Vermittler zwischen den Kanälen und Beteiligung an allen Aktivitäten, die zur Erreichung der Gesamtziele des Unternehmens beitragen

  • Vorbild und Botschafter für kanalübergreifende Zusammenarbeit, Kundenentwicklung und -bindung mit Engagement und voller Begeisterung für die Vorzüge des Omnichannel-Ansatzes

Die Sozialformen können dabei auf der Basis des Spektrums personaler und medialer Kommunikation ein Portfolio verschiedener Omnichannel-Excellence-Szenarien sein. Die Kombination der Bausteine erfordert stets eine intensive Auseinandersetzung mit der methodischen Konzeption der Szenarien und stellt hohe methodische Anforderungen an die Kundenberater, da es als Konstruktionsplan nur das Grundmuster des zu gestaltenden Beratungsszenarios festlegt und jeweils die kompetente Umsetzung und kreative Anwendung verlangt. Das CRM-/Clienteling- bzw. Omnichannel-Projektteam unterstützt, indem es die Grundstruktur der Sozialform erstellt und alle Medien zur Verfügung stellt, so dass die Kundenberater durch den geschickten Einsatz der unterschiedlichen CRM-/Clienteling-Aktionsformen individuell abgestimmte Kundenszenarien realisieren können.

Wie bereiten Unternehmen nun die Mitarbeiter auf dieses agile und kreative Arbeiten vor?

Abhängig vom Reifegrad der Organisation in Bezug auf Strategie, Technologie, Methodik, Struktur und Kultur, choreographiert die Transformationsarchitektur wesentliche Aktions- und Entwicklungsfelder für alle beteiligten Stakeholder. Insbesondere Führungskräfte stehen in der Verantwortung, die Omnichannel-Excellence-Strategie zusammen mit ihren Mitarbeitern zu entwickeln und zu realisieren, indem folgende Elemente der Transformationsarchitektur Beachtung finden:

  • Kultur: Führungskräfte schaffen eine Kultur der Zusammenarbeit und offenen Kommunikation zwischen den Mitarbeitern, um gegenseitigen Support und kollektives Lernen zu ermöglichen. Sie stellen sicher, dass verschiedene Teams innerhalb des Stores oder Headquarters durch klare Kommunikation und Koordination effektiv zusammenarbeiten, um eine nahtlose Kundenerfahrung über alle Kanäle hinweg zu schaffen.

    Hier erfahren Sie, wie Sie Change-Management in Ihrem Unternehmen erfolgreich umsetzen können.

  • Technologie: Führungskräfte stellen sicher, dass ihre Mitarbeiter Zugang zu den notwendigen Tools und Technologien haben, um eine Omnichannel-Erfahrung zu schaffen und diese auch im Arbeitsalltag nutzen (CRM-Systeme, Chat-Videokonferenzsysteme, Social-Media-Plattformen etc.).

  • Lernen: Führungskräfte und HR Development schulen ihre Mitarbeiter fortwährend in und zu den neuesten Technologien und Methoden, um Omnichannel-Szenarien zu implementieren. Sie vermitteln dabei das Verständnis, Kundendaten und -verhalten zu analysieren und daraus umsetzbare Erkenntnisse zu gewinnen.

  • OKRs: Führungskräfte legen klare Ziele für ihre Mitarbeiter fest, die auf eine nahtlose Omnichannel-Erfahrung ausgelegt sind. Dabei stellen sie sicher, dass ihre Mitarbeiter verstehen, warum diese Ziele wichtig sind und wie sie dazu beitragen können, diese zu erreichen.

  • Feedback: Führungskräfte im Store sammeln und analysieren kontinuierlich zusammen mit ihren Mitarbeitern Feedback von Kunden, um die Omnichannel-Erfahrung zu optimieren. Gleichzeitig geben sie kontinuierliches Feedback an ihre Mitarbeiter, um deren Fortschritte zu bewerten und gezielte Anleitung zu geben.


Welche Employee Experience braucht es hierzu?

Es bedarf einer strategisch, strukturell und kulturell verankerten Employee Experience. Diese ist wiederum der Spiegel der Integration der Omnichannel- Strategie in die Unternehmenswelt. Indem sich Unternehmen in die Rolle ihrer Mitarbeiter hineinversetzen und die Arbeitswelt durch ihre Augen betrachten, streben sie auch danach, ihren Mitarbeitern eine harmonische Abstimmung aller Interaktionen mit ihrem Unternehmen zu ermöglichen, unabhängig vom Kanal, um eine mitarbeiterzentrierte, nahtlose und vollständig integrierte Mitarbeitererfahrung über die gesamte Employee Journey hinweg zu schaffen. Einfluss darauf nehmen vor allem die Unternehmenskultur, die technologische Umgebung mit ihren Systemen, Tools und Geräten sowie die physische Umgebung der Beschäftigten.

“This finding is supported by a recent study by Josh Bersin[…] that highlights the importance of creating an environment and culture of trust, transparency, and care when developing a successful, differentiated employee experience program. [Employee Experience] leaders readily listen to their workforce. They capture feedback frequently and through various sources, and they turn these insights into improvements and innovations. Moreover, they ask about topics that are impacting employees right now, such as their health and well-being, an area that has been front and center during the pandemic.”
- Ellert, 2021, S. 9

Die Summe aller Erfahrungen, die ein Mitarbeiter also mit seinem Unternehmen sammelt, umfasst Interaktionen, Eindrücke und Emotionen im Zusammenhang vor allem mit der Führungskraft, welche die Employee Experience maßgeblich beeinflusst. Zusammenfassend lässt sich zur Employee Experience allgemein, aber insbesondere im Omnichannel-Kontext, festhalten:


In erster Linie beginnt die Reise eines Mitarbeiters lange vor Eintritt in das Unternehmen: Bereits im Recruiting-Prozess können einzigartige Begegnungen zwischen zukünftigem Mitarbeiter und Unternehmen/Führungskraft zu einer großartigen Candidate Experience beitragen, die sich nicht nur durch zeitlich abgestimmte Kontaktpunkte kennzeichnet, sondern unvergessliche emotionale, kanalübergreifende Momente beinhaltet.

  • Entwicklung als integrative Kompetenzentwicklung verknüpft Lernziele, Lernpfade und Karrierepfade des einzelnen Mitarbeiters mit übergeordneten, strategisch ausgerichteten Unternehmenszielen, Programmen und Initiativen, die mit und durch die Führungskraft unterstützt werden. Experimentelles Lernen und Partizipation ermöglichen somit die Entstehung von innovativen Szenarien seitens kreativer Mitarbeiter, die ihre Ansätze auch an Kollegen und Führungskräfte weiterreichen.

  • Performance Management basiert auf Potenzial-, Ressourcen- und Zukunftsorientierung und ist auf die Stärken des Mitarbeiters fokussiert, wobei die Verknüpfung individueller und kollektiver Ziele die Grundlage für die lernende Organisation darstellt und durch eine Feedforward-Kultur ermöglicht wird.

  • Ein integratives, globales Personalinformationssystem (HRIS) garantiert den unkomplizierten, nutzerfreundlichen Single Sign-on zu allen relevanten Informationen der gesamten HR Value Chain.

  • Im Bereich Compensation & Benefits ermöglicht die Überarbeitung der Bonussysteme schließlich ein potenzialorientiertes Performance Management und überwindet alteingesessenes Konkurrenzdenken zwischen den Kanälen.

Employee Engagement: Die Schlüsselkomponente für eine erfolgreiche Omnichannel-Strategie

Ein integratives, strategisch ausgerichtetes Employee Engagement Program (auch Mitarbeiterengagement) ist daher die Basis für nachhaltige Omnichannel Excellence. Beide sind untrennbar miteinander verwoben und durch die Hebelwirkung der Führungskräfte miteinander verzahnt.

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Literatur

Chevalier, M. & Gutsatz, Michel (2020). Luxury Retail and Digital Management. Developing Customer Experience in a Digital World. Second Edition. Solarix South Tower, Singapore: Wiley.

Ellert, M. (2021). Moving toward employee experience excellence. Key practices that differentiate employee experience leaders and laggards. Medallia Institute

Google Omnichannel Excellence Studie (2022). Google Omnichannel Excellence Studie 2022 - Think with Google

Jankowski, J. (2022). Zwischen Alt und Neu liegt Gut. Wie wir mit Good Work eine zukunftsfähige Arbeitskultur gestalten können, ohne alles neu machen zu müssen. München: Vahlen

Kumar, R.; Lange, T. & Silen, P. (2016). Building Omnichannel Excellence. McKinsey Report.

Porträt von Dr. Jasmina Hasanbegovic

Dr Jasmina Hasanbegovic

Dr. Jasmina Hasanbegovic, promovierte Wirtschaftspädagogin der Universität St. Gallen, Informationswissenschaftlerin (M.A.) und Diplom-Erziehungswissenschaftlerin verknüpft die Welt der Technologie und Psychologie/Pädagogik, um technikgestützten HR-Trends und Innovationen auf den Grund zu gehen. Sie weist mehr als 20 Jahre Führungserfahrung in leitenden HR-Positionen international agierender, kundenzentrierter Unternehmen auf. Der interdisziplinäre und durch Theorie und Praxis interagierende Blick auf Themen rund um Digitalisierung der HR Value Chain ermöglicht erst fundierte Initiativen zur Umsetzung der Mitarbeiter- und Führungskräfteentwicklung. Als renommierte Expertin für Transformation und Kulturwandel fordert sie für ein kundenzentriertes und nahtlos ineinandergreifendes, integratives Kundenerlebnis das Empowerment der Mitarbeiter und somit die Spiegelung aller Maßnahmen zur Kundenzentrierung auch für die Mitarbeiter einer Organisation.

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