Frau sitzt mit Laptop und Kopfhörern im Park
Total Experience  | 18 Jan 2023

Multisensualität ist für empathische Kommunikation extrem wichtig

Interview mit Prof. Dr. Christian Chlupsa

Porträt von Rene Kohlenberg
René Kohlenberg

Prof. Dr. Christian Chlupsa unterrichtet an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management in München. Er ist anerkannter Experte für den Markenaufbau auf Basis psychologischer und neurologischer Erkenntnisse. Im Interview verrät er uns, wie digitale Empathie gelingen kann.

Was macht für Sie digitale Empathie aus?

Für mich geht es dabei vor allem um Authentizität. Forschungen belegen, dass dieser Begriff sehr wichtig ist. Das bedeutet eben auch, wenn Menschen nicht besonders empathisch sind, dann wird es in der digitalen Welt schwierig für sie. Ich beobachte ein extremes Overselling auf Kanälen wie Instagram und LinkedIn. Alle werben damit, dass sie die Besten sind und an den schönsten Locations unterwegs sind. Wenn du diese Leute dann persönlich triffst, bekommen sie oft den Mund nicht auf. Spätestens wenn ich mit Menschen in die Interaktion gehe, ist es extrem wichtig, dass ich mit ihnen empathisch umgehen kann.

Wie müssen Unternehmen agieren, um authentisch zu sein?

Sie sollten ganz klare Vorgaben entwickeln, wie Mitarbeiter:innen mit Kund:innen kommunizieren sollen. Dafür ist es zunächst einmal wichtig, einen Markenkern festzulegen. Dieser sollte an eine klare Vision geknüpft werden, damit die Angestellten auch verstehen, warum sie etwas tun. Sie müssen sensibilisiert werden, wie sie möglichst empathisch mit den Kund:innen umgehen. Wenn sie ihre Bedürfnisse verstehen, verstehen sie, wie sie den Menschen helfen können. Als Unternehmen sollte es mein Ziel sein, bei meinen Kund:innen eine gewisse Lebensfreude zu erzeugen.

Das heißt, ich muss zunächst eine Art interne Empathie entwickeln, bevor ich empathisch nach außen kommunizieren kann?

Ja, es braucht eine Empathie nach innen. Ich muss meine Mitarbeiter:innen dafür sensibilisieren, was Kund:innen wichtig ist. Nur dann kann ich alle Kontaktpunkte – egal ob digital oder analog – optimal steuern. Dafür ist ein klar definierter Markenkern nötig und ich muss wissen, was ich als Unternehmen wirklich will. Am Beispiel Amazon wird das gut deutlich. Der Konzern sagt von sich, dass er das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt sein will. Und das meint Amazon ziemlich ernst. Sollte eine Lieferung verloren gehen, wird sie hinterhergeschickt. Und wenn ein Lieferant unzuverlässig ist, dann wird er rausgenommen. Sie holen sich permanent Feedback ein und fragen nach jeder Lieferung, wie zufrieden die Kund:innen sind. Das Gegenteil sind für mich Medienunternehmen, die auf Twitter und Co. einen Artikeln anteasern, den eigentlichen Text jedoch hinter einer Bezahlschranke verstecken. Es genügt nicht mehr, Social Media nur als Vertriebskanal zu nutzen.

Welche Kanäle und Kontaktpunkte sollten Unternehmen bei der digitalen Empathie berücksichtigen?

Zunächst einmal halte ich die Trennung zwischen analoger und digitaler Welt nicht für sinnvoll. Wichtiger ist ein kundenzentrierter Ansatz. Es gibt Situationen, da sind Menschen froh, einen Kontaktpunkt zu haben, wo sie hingehen können. Wenn mir mein Handy runterfällt, ist es gut zu wissen, dass ich eine Filiale aufsuchen kann. Und auf der anderen Seite gibt es viele Situationen, in denen ich einen digitalen Kontaktpunkt bevorzuge. Wenn ich die Bedienungsanleitung meines Rasensprengers verloren habe, brauche ich keinen telefonischen Service. Da genügt ein Pdf, das ich mir runterladen kann. Die Frage, die ich mir als Unternehmen stellen sollte, lautet: ‚Wann brauchen Kund:innen einen persönlichen Kontakt und wann eine digitale Lösung?‘ Die Multisensualität ist für empathische Kommunikation extrem wichtig. Viele Dinge funktionieren rein visuell im digitalen Raum, bei anderen ist die Haptik ausschlaggebend. Aus meiner Sicht brauchen Unternehmen daher einen cleveren Mix.

Eine Frau sitz lächelnd in einem Zimmer vor ihrem Laptop und hält einen Gegenstand in der Hand.

Solch einen Mix hinzubekommen, bedeutet viel Aufwand. Wie wichtig ist digitale Empathie für den Erfolg von Unternehmen heute?

Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel: Vor wenigen Wochen habe ich einen Flug gebucht. Daraufhin habe ich von der Fluggesellschaft eine Email erhalten, in der mir weitere Services angeboten wurden. Zudem war darin das Datum des Rückflugs vermerkt. Das Problem war jedoch, dass ich auf dem Smartphone ein anderes Datum angezeigt bekommen habe als auf dem Laptop. Daraufhin habe ich zwei Screenshots gemacht, an die Fluggesellschaft geschickt und erklärt, dass mir zwei unterschiedliche Daten angezeigt werden. Und innerhalb eines Tages hat das Unternehmen sich bei mir gemeldet, sich für den Fehler entschuldigt und mir für meinen Hinweis gedankt. Das hat mich beeindruckt und ich fühlte mich gewertschätzt. Es ist wichtig, dass Unternehmen die Geschwindigkeit, die digitale Kanäle bieten, auch nutzen. Kund:innen erwarten diese schnelle Reaktion.

Digitale Empathie ist offensichtlich relevant für die Kundenbindung. Doch welche Rolle spielt sie bei der Gewinnung von Neukunden?

Dafür muss ich wissen: Was motiviert Menschen? Das ist ja Kern meiner Forschung. Und viele Entscheidungen werden unbewusst getroffen. Daher sollte ich die Einstiegshürden für Kund:innen gering halten und erstmal mit ihnen in Kontakt kommen. Ein gutes Beispiel ist die Automarke Polestar. Auf der Webseite sind es vom Erstkontakt bis zur Probefahrt nur drei Klicks. Statt möglichst alle Daten abzugreifen, unterstützen sie meine unbewusste Entscheidung und beschleunigen den Prozess. Wir wissen bereits seit den 1930er-Jahren, dass es drei Hauptmotive gibt, die uns antreiben. Es gibt Menschen, die ein starkes Anschlussmotiv haben, die mit anderen Menschen zusammensein wollen und eine gewisse Sicherheit brauchen. Dann gibt es andere mit einem ausgeprägten Machtmotiv, die sich ausleben und Dinge steuern wollen. Und drittens gibt es das Leistungsmotiv. Diese Menschen wollen Gewinner sein und auf dem Siegertreppchen ganz oben stehen. Unternehmen müssen sich daher ihrem Markenkern bewusst sein. Will ich als Unternehmen meinen Kund:innen ein sicherer Hafen sein? Möchte ich ihnen eine Möglichkeit geben, ihr Machtmotiv auszuleben? Oder geht es um Leistung? Für wen ist eigentlich meine Dienstleistung oder mein Produkt?

Geben Sie uns doch noch einen kurzen Ausblick. Wie wird sich digitale Empathie in den kommenden Jahren entwickeln?

Unternehmen müssen wissen, was ihre Zielgruppe will. Im besten Fall wissen sie es sogar besser oder noch bevor die Kund:innen es selbst wissen. Amazon zum Beispiel macht das schon heute. Der Konzern zieht Schlussfolgerungen aus den Daten, die sie sammeln, um ihren Kund:innen individuelle Vorschläge machen zu können.

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Porträt von Rene Kohlenberg

René Kohlenberg

Elf Jahre Berufserfahrung als Texter, Digital Redakteur und Redaktionsleiter einer Kreativagentur für Print- und Online-Werbung. Eine Erkenntnis: Wer erzählen kann, kann verkaufen. Denn Menschenlieben Geschichten. 2019 kündigte René Kohlenberg seine unbefristete Stelle im Medienhaus DuMont und machte sich als Storyteller selbstständig. Seitdem unterstützt er Unternehmen mit Workshops, Coachings und Content dabei, ihre Kommunikation zu verbessern. Er durfte bereits bei dutzenden Events und Podcasts Tausende Menschen von und mit Geschichten begeistern. Zudem lehrt der in Kirn lebende und seine Heimat Köln liebende Storyteller an der VHS Köln. dem Texterclub und dem DeutschenInstitut für Marketing. Zu seinen Kund:innen gehören Unternehmen aus der IT und Logistik, dem Finanzwesen sowie der Consulting-Branche.

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